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Essen aus der Mülltonne
Essen aus der Mülltonne, Containern oder Dumpstern, es gibt Menschen die Lebensmittel von Supermärkten aus den Mülltonnen holen und diese essen. Hier erfährst du mehr zu dem Thema.
Nach jedem Wochenende quellen sie über. Mülleimer, vollgestopft mit Pizzakartons, Plastikverpackungen, Dosen und Hundekotbeutel. Auch wenn er diskret in Verbrennungsanlagen verschwindet: wir werden den Abfall nicht los. Ist die Kreislaufwirtschaft unsere Rettung?
Es wirkt surreal. In luftiger Höhe hängt ein Müllauto an einer Gondel und schwebt ins Tal. Runter von der verschneiten Bettmeralp, wo prallgefüllte Abfallsäcke entsorgt werden müssen. Denn Müll ist überall. Nicht nur in Schweizer Naturparadiesen.
Wer wissen will, wie Menschen weltweit mit immer mehr Müll kämpfen, sollte den Dokumentarfilm „Matter out of Place“ von Nikolaus Geyrhalter anschauen. Der Titel bezieht sich auf Gegenstände oder Veränderungen, die an einem Ort nicht natürlich vorkommen. Der österreichische Regisseur hat Bilder von verstörender Schönheit eingefangen. In den scheinbar unberührten Landschaften, die er rund um den Globus besuchte, hat sich der Unrat schon tief eingegraben.
Abfallalbtraum auf der Trauminsel
So fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass das türkisfarbene Wasser und der weiße Sandstrand auf den Malediven von Plastik überschwemmt sind. Angestellte eines Ferienressorts gehen mit Rechen durch den Strand, sammeln Einwegflaschen mit Schubkarren auf, packen sie in Plastiksäcke. Eine Bootsfahrt davon entfernt qualmt eine Müllhalde. Beißender giftiger Rauch steigt empor. Ein Mann schüttet Benzin über Metall, Kartons, Styropor und heizt die Flammen an. Es explodiert ein Elektrogerät, während Krähen über der Halde kreisen. Eine apokalyptische Szene.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich im österreichischen Dürnrohr. Auch hier wird der Müll verbrannt. Doch in der riesigen, geschlossenen Anlage ist alles automatisiert. Greifarme packen den Abfall, Bänder transportieren ihn. Zusammen mit Stühlen, Sesseln, Kartons, Wäschekörben wird eine Matratze eingesogen. Sie bäumt sich immer wieder auf, bevor sie zwischen Reißzähnen verschwindet und quälend langsam zermahlen wird. Nach der anschließenden Station im Feuerraum ist aus dem Sperrmüll grobe Asche geworden.
Ewiger Materialkreislauf statt kurze Lebensdauer
Christoph Soukup findet Müllheizkraftwerke wie in Dürnrohr wenig geeignet, Abfall nachhaltig loszuwerden. Denn bis zu einem Drittel an Schlacken und Aschen, die hochgiftig sind, bleibt nach der Verbrennung übrig. Mit ihnen werden Bergwerke verfüllt oder im Straßenbau verwendet. Christoph Soukup ist Betriebswirt und Experte für Kreislaufwirtschaft. Und Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Circular Economy in Stuttgart. Er berät Firmen, die zukunftsfähig produzieren möchten. Dinge, die langlebig sind, reparierbar und für die es Ersatzteile gibt. Er unterstützt Unternehmen dabei, Produkte, Gebäude, Bauteile oder Materialien so zu gestalten, dass sie später erst gar nicht auf einer Müllhalde landen. Sondern in einem andauernden Materialkreislauf weiterleben. „Circular Economy“ heißt der englische Fachbegriff dafür.
Auf der Ressourcenautobahn zum Mond
Müll ist Mist. Davon ist der Wahlstuttgarter aus Österreich überzeugt. „Mist ist auch der Nährstoff, den der Bauer aufs Feld aufbringt“, sagt Christoph Soukup. „Im Müll steckt eine Wahnsinnsressource, die wir besser nutzen müssen.“ Um zu zeigen, was jetzt schon alles möglich ist, hat er 2020 den Podcast #MüllistMist gestartet. Bei seinen Interviews holt er Menschen vors Mikrofon, die heute schon Lösungen gefunden haben, Stoffkreisläufe umzusetzen. Die etwa aus Lebensmittelresten neue Materialien erschaffen. Oder die Elemente für begrünte Fassaden entwerfen, die mit gereinigtem Grauwasser, also Abwasser aus Bädern, Duschen oder Waschmaschinen, versorgt werden. „Wir nutzen weltweit jährlich 100 Gigatonnen Material“, sagt Christoph Soukup. „Damit könnte man eine vierspurige Autobahn zum Mond bauen – jedes Jahr wieder.“ Ganz schön abgefahren.
Wir verschlingen bis zu fünf Erden
Damit leben die Industrienationen weit über ihre Verhältnisse. Laut dem Global Footprint Network würden wir fünf Erdkugeln brauchen, wenn alle wie die Menschen in den USA leben würden. Beim weltweiten Lebensstil wie in Deutschland wären es drei Erdkugeln. Deshalb müssen wir dringend den Ressourcenfraß aufhalten. Christoph Soukup nennt Beispiele, wie wir damit beginnen könnten. In Messehallen beispielsweise auf Teppichböden verzichten. Denn diese wurden früher nach wenigen Tagen einfach weggeworfen. Statt ein eigenes Auto zu kaufen, sich bei Carsharing anmelden. Oder statt Gebäude abzubrechen, sie umzunutzen und die Struktur weiterzuverwenden. Bei der Modernisierung eines Stuttgarter Fußballstadions wurde beispielsweise der Beton für die neue Tribüne aus dem Abbruchmaterial der alten Tribüne hergestellt. Türen, Fenster und Sanitäranlagen wurden fachgerecht ausgebaut und weiterverkauft. Über die tausenden abmontierten Sitzschalen freuten sich die Fans, die sie als Möbelstücke mitnahmen.
Müllbeseitigung ist anstrengend und langwierig
Von einer gut organisierten Weiterverwertung ausgebrauchter Dinge können die Taucher, die in Griechenland mächtige LKW-Reifen an die Wasseroberfläche hieven, nur träumen. Oder auch der Müllsammler in Kathmandu. Ein hagerer Mann mit einem klapprigen Fahrradkarren und einer Trillerpfeife im Mund, der sein immer voller werdendes Gefährt kaum mehr schieben kann. Seine kleinen Müllsäcke landen später auf großen Lastwagen, die in einer endlosen Kolonne zur Deponie fahren. Sie kämpfen sich auf den unbefestigten Straßen durch Schlamm und Matsch, bleiben stecken. Kleine Bagger kommen zur Hilfe, schieben die LKW weiter. Nach dem „Burning Man“-Festival im US-Bundesstaat Nevada durchkämmen Freiwillige die Wüste Zentimeter für Zentimeter. Unter dem Motto „Wir hinterlassen keine Spuren“ packen sie mit Greifern Kippen, Kronkorken und Co. und streichen mit Schrubbern den Sand glatt. Der Aufwand, Müll zu entsorgen, ist im Film „Matter out of Place“ körperlich spürbar.
Ein Blick auf den Reparaturindex entscheidet beim Kauf
Leider heißt es immer noch viel zu oft: ab in den Container. Gerade auf Baustellen, wo es schnell gehen muss, landet nicht nur Ausgedientes, sondern auch ganz neue Ware auf dem Müll. Wie etwa falsch ausgemessene Türen oder zu viel bestellte Fenster. Mittlerweile gibt es allerdings Firmen, Plattformen und Organisationen, die sich auf das Ernten und Bergen von Bauteilen und Material spezialisiert haben und diese weitervermitteln. Damit Dinge länger leben dürfen, hat Frankreich im Jahr 2021 einen Reparaturindex bei Elektro- und Haushaltsgeräten eingeführt. So sehen Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick, wie gut Smartphones, Laptops Fernseher, Rasenmäher oder Waschmaschinen instandzusetzen sind. Die Skala geht dabei von 0 (nicht reparierbar) bis 10 (top reparierbar). Und was ist, wenn der Fahrradhelm nach einem Sturz nicht mehr sicher ist? Und sich mit dem besten Willen nicht mehr reparieren lässt? Dann kompostieren wir ihn einfach. Niederländische Designerinnen und Designer haben einen Fahrradhelm aus Pilzmyzel und Hanf entwickelt. Der verrottet und wird zu Humus. Müll ist Mist – in seiner besten Form.
Zum Weiterhören:
Podcast #jetztklimachen der Stadt Stuttgart mit Christoph Soukup
Zum Weiterschauen:
Film Matter out of Place von Nikolaus Geyrhalter
Die Lahntaucher befreien ihren Fluss in und um Marburg ehrenamtlich von Müll
Text von
Annik Aicher
Bilder von
Felix Harsdorff
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Essen aus der Mülltonne
Essen aus der Mülltonne, Containern oder Dumpstern, es gibt Menschen die Lebensmittel von Supermärkten aus den Mülltonnen holen und diese essen. Hier erfährst du mehr zu dem Thema.
Autor*in: Laura Weinfurter Titel: Essen aus der Mülltonne - Dumpstern - Beweggründe und Praktiken Verlag: AV Akademikerverlag Medium: Buch Buchform: Taschenbuch Erscheinungsdatum: 17.03.2017 Sprache: Deutsch ISBN: 978-3-330-51569-7